Zur Ausstellung
Nach dem Zweiten Weltkrieg wird es für große Teile der Bevölkerung möglich, Urlaub zu machen. Das verändert den Fremdenverkehr grundlegend. Neue Kapazitäten für die Gäste müssen geschaffen werden. Ergänzend zum professionellen Hotel- und Gastgewerbe etabliert sich im ländlichen Raum die Privatzimmervermietung. Seit den 1960er-Jahren sorgt die Massenmotorisierung für einen Entwicklungsschub: Bislang vernachlässigte Gegenden blühen auf, traditionelle Destinationen verlieren an Zugkraft. Auch der Fernurlaub erhöht den Druck auf heimische Urlaubsziele.
Die Sonderausstellung beleuchtet das Urlauben mit seinen Phasen und Ritualen: Diese reichen von der Planung und den Aufbruch über die Wahl des Transportmittels, Ankunft und Aufenthalt bis hin zur Speicherung der Erinnerungen in Form von Bildern und Souvenirs. Dabei stellen sich die Fragen, welche Lebensumstände entscheiden, wer auf welche Art Urlaub macht und wer möglicherweise kaum oder gar nicht verreisen kann?
Die Praktiken des Urlaubens werden aus Sicht der Gäste, aber auch der Gastgeber:innen erzählt. Das schließt ebenso Konflikte mit ein, wie etwa unterschiedliche Nutzungsinteressen von Tourismus und Landwirtschaft, der Arbeitsdruck im Gastgewerbe oder der Ausverkauf der Landschaft. Gleichfalls werden Fragen nach der Zukunft des Sommerurlaubs aufgegriffen:
Kann man von einem Trend zu klimaschonendem Nahurlaub sprechen? Steht uns eine Wiederentdeckung der Sommerfrische bevor?
Kuratiert wurde die Ausstellung vom wissenschaftlichen Team des Hauses der Geschichte im Museum Niederösterreich: Christian Rapp, Benedikt Vogl, Maren Sacherer und Johanna Resel.
Kati Bellowitsch & Manuel Rubey
zu Gast in der AusstellungWebsite des Studienprojekts „Zimmer frei“ an der Universität Wien
Die Vorarbeiten zu dieser Ausstellung wurden in Kooperation mit dem Institut für Europäische Ethnologie der Universität Wien unter der Leitung von Brigitta Schmidt-Lauber durchgeführt. Im Rahmen eines Studienprojekts beschäftigten sich acht Student:innen mit verschiedenen Aspekten des Urlaubens in Österreich. Die Ergebnisse des Projektes werden auf folgender Website präsentiert: projekt-zimmerfrei.univie.ac.at
„Zimmer frei! Urlaub im Retzer Land"
Eine lokale SpurensucheBis 1989 lag Retzbach „am Ende“ der Welt. Erst der Fall des „Eisernen Vorhangs“ ließ die kleine Ortschaft an der tschechischen Grenze im nordwestlichen Weinviertel für Touristinnen und Touristen attraktiv werden. Seit Anfang der 1990er-Jahre entwickelt sich die Region auch durch Bemühungen der Regionalvermarktung „Retzer Land“ zu einem beliebten Urlaubsziel. Besucherinnen und Besucher aus dem In- und Ausland schätzen die Ruhe abseits des Massentourismus, die hügelige Landschaft und allem voran den vor Ort produzierten Wein. Weingüter in Retz und umliegenden Orten verbinden Landwirtschaft, Weinbau und Privatzimmervermietung zu einem für sie gewinnbringenden ökonomischen Konzept. Die Gastfreundschaft der meist weiblichen Privatzimmervermieterinnen, hausgemachte Speisen und „Weinerlebnisse“ machen aus vielen Urlauberinnen und Urlaubern treue Weinkunden und Stammgäste.
Bis Mitte Oktober 2024 beleuchtet die von Brigitta Schmidt-Lauber (Universität Wien) und Johanna Resel (Universität Wien) kuratierte Ausstellung im SchauFenster in Oberretzbach die Entwicklung des Tourismus im „Retzer Land“ aus drei unterschiedlichen Perspektiven: Zum einen sind die Interessen, Erwartungen und Entscheidungen der regionalen Tourismuspolitik dargestellt, zum anderen die geben die Perspektive der Privatzimmervermieterinnen und -vermieter und schließlich die Erfahrungen der Gäste einen Einblick in die lokalen Lebens- und Reiserealitäten der Region, in denen der Wein stets im Vordergrund steht. Entstanden ist die Ausstellung in Folge eines einjährigen Studienprojektes am Institut für Europäische Ethnologie der Universität Wien zum Urlaub in Österreich nach 1945 und der daraus konzipierten Sonderausstellung im Museum Niederösterreich (Haus der Geschichte) „Zimmer frei! Urlaub auf dem Land“.