Die großen Kriege waren geschlagen. Mit dem Aachener Frieden, der den Österreichischen Erbfolgekrieg (1740–1748) beendet hatte, war die Stellung Maria Theresias (Abb. 1) im Konzert der europäischen Mächte gefestigt und die Pragmatische Sanktion, die die weibliche Erbfolge regelte, bestätigt. Der folgende Siebenjährige Krieg (1756–1763) hatte zwar nicht die erwünschten Gebietsgewinne gebracht – Schlesien blieb weiter in preußischer Hand –, aber zumindest hatte sich König Friedrich II. von Preußen in einem geheimen Zusatzartikel des Friedens von Hubertusburg dazu verpflichtet, der Wahl Josephs zum Römischen König zuzustimmen. Noch während des Erbfolgekrieges hatte Maria Theresia mit Reformen im Inneren begonnen, hatte die Verwaltung und das Justizwesen neu geordnet und in der Zwischenkriegszeit mit Heeresreformen begonnen. Eine weitere Initiative betraf das Bildungswesen. Denn die Errichtung von Schulen und anderer Ausbildungsstätten gehörten, so auch laut Meinung des großen Reformer an ihrer Seite Joseph von Sonnenfels (1732/1733–1817), zu den zentralen Aufgaben eines Staates. Im Sinne der Aufklärung sollten diese Aufgaben nicht länger allein in der Hand der Kirche und der geistlichen Orden liegen.

Erste Schritte

Zwar hatte bereits Kaiser Karl VI. 1735 in einem Statut die Mindeststandards für die Lehrerausbildung und ungefähre Lehrpläne festgelegt, aber es blieb bei einem gut gemeinten Versuch. An den schulischen Zuständen änderte sich nichts; vor allem die Lage in den Landgemeinden blieb prekär. Auch auf kirchlicher Seite erkannte so mancher die Notwendigkeit einer Verbesserung des schulischen Ausbildungswesens. Im Mai 1769 richtete der Fürstbischof von Passau Leopold Ernst Graf von Firmian (1708–1783) ein Promemoria an Maria Theresia, in dem er den Nutzen guter Schulen für den Staat und für die Religion unterstrich. Er forderte dazu die Unterstützung des Staates ein. Das Primarschulwesen und seine Organisation lagen zu dieser Zeit ganz in geistlicher Hand. Er verlangte zur Verbesserung der Zustände, dass allgemeine Schullen mittels allerhöchst landesfürstl. Anordnungen in gute Ordnung gesetzt und nachdrucksam befördert werden möchten.  

Maria Theresia griff die Anregungen des Kirchenfürstens, dessen Autorität sich zu diesem Zeitpunkt noch über einen großen Teil Ostösterreichs erstreckte, auf. Sie beauftragte die obderennsische und die niederösterreichische Landeshauptmannschaft mit der Erhebung der Zustände in den Städten, Märkten und auf dem Lande. Der Rücklauf der Umfrage war zwar nicht üppig, aber es zeichnete sich eine eindeutige Tendenz ab: In den größeren Städten funktionierte das Schulwesen einigermaßen, in den kleineren Städten und in den Dörfern lagen die Elementarschulen im Argen. Die Lehrer waren schlecht bis gar nicht ausgebildet, unterbezahlt und erfüllten in keiner Weise ihre Aufgabe. Auch die Geistlichkeit, die die Kinder in der Christenlehre unterrichten sollten, kam ihrer Tätigkeit nur mangelhaft nach. Der Schulbesuch erfolgte nur sporadisch. Die Unterrichtsräume befanden sich oft in einem katastrophalen Zustand. Als Reaktion erließ die Böhmisch-Österreichische Hofkanzlei die ersten Erlässe: Die Lehrer hatten jährlich die schulpflichtigen Kinder in ihrem Ort zu erheben, so wie es bereits bei der Konskription (= Erfassung der wehrfähigen Männer) geschah. Abhängig vom Einkommen der Eltern war ein Schulgeld zu entrichten, aus dem die Schulmeister zu bezahlen waren; der Schulbesuch von Kindern aus den unteren sozialen Schichten war unentgeltlich. Schullehrerstellen durften nur mehr nach einer Prüfung des Bewerbers besetzt werden. Dabei wurden u.a. seine Kenntnisse im Lesen, Schreiben und Rechnen kontrolliert. Mit kaiserlicher Entschließung vom 19. Mai 1770 richtete Maria Theresia eine Kommission bei der Landeshauptmannschaft als Aufsichtsbehörde für das Schulwesen ein. Die Überwachung der schulischen Leistungen lag weiter in der Hand der Geistlichkeit. An den Zuständen änderte sich in der Folge nur wenig. Gerade in den ländlichen Gebieten blieben die Kinder weiterhin der Schule fern; sie wurden daheim als Arbeitskräfte gebraucht. Da die Schulbezirke den Pfarrbezirken entsprachen, waren sie zu groß und unübersichtlich. Oft fungierten Mesner ohne entsprechende Bildung als Schulmeister.  

Schon 1766 hatte Maria Theresia auch Johann Baptist Anton Graf von Pergen, der spätere Besitzer des Schlosses Pottenbrunn bei St. Pölten, mit der Erstellung von Reformplänen für das Schulwesen beauftragt. Seit 1766 war er zweiter Staatsminister, Mitglied des Staatsrates und stellvertretender Staatskanzler. In seinem 1770 vorgelegten Plan zur Verbesserung des gesamten hohen und niederen Schul- und Erziehungswesens formulierte er die Bildungsziele – Erziehung zu aufgeklärten Christen – und forderte, dass Leitung und Aufsicht dem Staat unterstellt werden müssen. Zu seinem Konzept gehörten die Einführung einer Grundausbildung für alle Kinder, unabhängig von ihrer späteren schulischen Laufbahn, und eine gute schulische Bildung auch für die Mädchen, da diese Hälfte der Unterthanen einen größeren Einfluß, als man insgemein glaubet, auf den Staat und die Sitten hat. Ein weiterer Vorschlag zielte auf die Ausbildung der Lehrer durch die Errichtung von Lehrerseminarien. Finanziert sollten diese Aktionen durch die Einziehung geistlicher Pfründe, die Besteuerung kinderloser Ehepaare und finanzielle Unterstützung durch die Klöster werden. Nach langen Diskussionen im Staatsrat wurden 1772 die Pläne endgültig ad acta gelegt, und Pergen nach Lemberg als Gubernator für Galizien geschickt.

Schulhäuser in Wösendorf, Rossatz und Stollhofen siehe Abb. 2, 3 und 4.

Der Vater der Reform

Zur Lösung des Problems wandte sich Maria Theresia schließlich an den preußischen König Friedrich II. und bat um die Entsendung von Johann Ignaz von Felbiger (1724–1788) nach Wien. Felbiger, der Sohn eines Glogauer Postmeisters, hatte Theologie in Breslau studiert, war in das Augustiner-Chorherrenstift in Sagan eingetreten und wurde 1758 dessen Abt. Er sah sich in diesem gemischt konfessionelles Gebiet mit der Situation konfrontiert, dass katholische Eltern ihre Kinder in evangelische Schulen schickten, da diese besser ausgestattet waren und dort mehr gelernt wurde. Felbiger erkannte darin eine berechtigte Gefahr für die katholische Kirche und befürchtete zukünftige Gläubige zu verlieren. In der Folge beschäftigte er sich intensiv mit Ausbildungs- und Erziehungsfragen und scheute sich nicht, evangelische Vorbilder, wie etwa das Königl. Preußisches General-Land-Schul-Reglement, heranzuziehen. 1764 zum Schulinspektor des Archidiakonats Glogau ernannt, veröffentlichte er ein Jahr später das Königl.-Preußische General-Land-Schul-Reglement für die Römisch-Catholischen in Städten und Dörfern des souverainen Herzogthums Schlesien und der Herrschaft Glatz. Vor diesem Hintergrund wird es verständlich, warum Maria Theresia Felbiger für eine Reform des Schulwesens „ausborgte“. In Wien angekommen entwarf Felbiger binnen weniger Wochen einen Reformplan basierend auf seinen Erfahrungen, aber unter Berücksichtigung der bereits geleisteten Vorarbeiten. Die Vorschläge wurden der niederösterreichischen Schulkommission vorgelegt und von dieser in Gesetzesform gegossen. Maria Theresia konnte bereits am 6. Dezember 1774 das Patent, die Allgemeine Schulordnung für die deutschen Normal- Haupt- und Trivialschulen in sämmtlichen Kayserl. Königl. Erbländern, unterzeichnen. Warum sie das tat, erläutern die ersten Sätze des Gesetzestextes: 

Da die Erziehung der Jugend beiderlei Geschlechts, als die wichtigste Grundlage der wahren Glückseligkeit der Nationen, ein genaures Einsehn allerdings erfordert; so hat dieser Gegenstand alle Aufmerksamkeit um desto mehr auf sich gezogen, jegewisser von einer guten Erziehung, und Leitung in den ersten Jahren die ganze künftige Lebensart aller Menschen, und die Bildung des Genies, und der Denkensart ganzer Völkerschaften abhängt, die niemals erreicht werden kann, wenn nicht, durch wohl getroffene Erziehungs- und Lehranstalten, die Finsterniß der Unwissenheit aufgekläret, und jedem der seinem Stande angemessene Unterricht verschaffet wird.
Allgemeine Schulordnung für die deutschen Normal- Haupt- und Trivialschulen in sämmtlichen Kayserl. Königl. Erbländern, 1774

Die Allgemeine Schulordnung

Die 24 Paragraphen der Schuldordnung beschäftigen sich mit Fragen der allgemeinen Organisation, der zu schaffenden Schultypen, des Lehrpersonals bis hin zu detaillierten Angaben zu Lehrplänen, Unterrichtsmaterial, Aussehen und Ausstattung der Schulgebäude usw. Für die Abwicklung soll in jeder Provinz eine Schulkommission bestellt werden. Sie setzt sich aus zwei bis drei Räten der jeweiligen Landesregierung, einem Vertreter des Ordinariates (= Verwaltungsstelle eines Bistums), einem Sekretär der Landesregierung sowie einem Leiter einer Normalschule zusammen. Drei Arten von Elementarschulen definiert das Patent: Normalschulen, Hauptschulen und Trivialschulen (Abb. 5).

In jeder Provinz sollte eine Normalschule eingerichtet werden und zwar immer an dem Ort, an dem die Landeskommission ihren Sitz hatte. In Niederösterreich war dies Wien. Die Normalschulen stellten die Richtschnur aller übrigen Schulen in der Provinz dar. An dieser Schule wurden die Lehrer für die anderen deutschen Schulen ausgebildet. Der Lehrerschaft musste aus einem Direktor, vier bis fünf Lehrer und einem geistlichen Katecheten (= Religionslehrer) bestehen.

In größeren Städten und auch in Klöstern sollten deutsche Hauptschulen eingerichtet werden, zumindest in jedem Viertel, Kreis oder Distrikt des Landes. In Niederösterreich gab es solche um 1780 dann nördlich der Donau in Horn, Krems und Ernstbrunn, südlich der Donau in Waidhofen an der Ybbs, Melk, St. Pölten, Klosterneuburg, Wiener Neustadt und Bruck an der Leitha. In Wien standen sie in der Josephstadt, auf der Wieden und in der Ungargasse.

Gemeine deutsche- oder Trivialschulen endlich, sollen in allen kleineren Städten, Märkten und auf dem Lande, wenigstens in allen Orten sein, wo sich Pfarrkirchen oder davon entfernte Filialkirchen befinden.

Der folgende Paragraph stellte klar, dass nicht daran gedacht war, ein völlig neues Netz von Schulen in den Provinzen zu errichten. Zunächst sollten die vorhandenen Schulen an die neuen Verhältnisse angepasst und die bereits angestellten Schulleute auf ihre Fähigkeit hin überprüft werden. Bei notwendigen Neuanstellungen sollten die Schulkommissionen die Eignung der Kandidaten kontrollieren. Nur dort, wo es keine Schulen gab oder diese aufgrund der Schülerzahl zu klein waren, sollten neue auf Kosten der Gemeinde errichtet werden. Die Grundherrschaften wurden dazu angehalten, einen finanziellen Beitrag zu leisten (Abb. 6).

Musterschulen, Lehrpläne und Schulbücher

Die im Paragraph 4 festgeschriebenen Angaben über die Beschaffenheit der neu zu errichtenden Schulgebäude vermitteln gleichzeitig einen Eindruck über die Mängel, die bei den bereits bestehenden auftraten. So sollten etwa die Räume so angeordnet werden, daß die Schüler durch die häuslichen Geschäfte der Weiber, Kinder und Dienstleute der Lehrer nicht gestöret werden, mithin, daß die Schulstuben durchaus nicht zu irgend einem anderen Gebrauche dienen. Auch auf dem Lande sollten die Schulstuben streng von der Lehrerwohnung getrennt sein, auch in den bereits bestehenden Schulen. Wo dies aufgrund der räumlichen Verhältnisse nicht möglich war, waren die Gemeinden dazu angehalten, das Schulgebäude auszubauen. Die Schulen sollten mit Bänken, Tischen, Schultafeln, Dintenfässern, und anderem nöthigen Geräthe, wie auch mit einem verschlossenen Schränkchen zur Bewahrung der Bücher versehen sein.

In der Folge wurden in den Landesviertel Muster-Trivialschulen errichtet (Stand 1780): so für das Waldviertel in Schrems, Japons, Eggenburg, Maissau und Krems; für das Weinviertel in Enzersdorf im Thale, Ernstbrunn, Mistelbach, Pirawarth, Stammersdorf und Großenzersdorf; für das Mostviertel in Waidhofen an der Ybbs, Ferschnitz, Ybbs, Melk, Pyhra (Abb. 7) und Wilhelmsburg; für das Industrieviertel in Kirchschlag, Wiener Neustadt, Neuhaus, Tribuswinkel, Klosterneuburg und Hainburg. Keines dieser Gebäude hat die Jahrhunderte unbeschadet überstanden. Es wurde umgebaut, aufgestockt, abgerissen. Den besten Eindruck vermitteln uns Einreichungspläne, soweit sie noch vorhanden sind (Abb. 8).

Auch die Lehrpläne wurden in der Allgemeinen Schulordnung genau geregelt, was die Inhalte und die Anzahl der Wochenstunden betrafen. Der Unterricht erfolgte im Winter von 8 bis 11 Uhr, im Sommer von 7 bis 10 Uhr; nachmittags fanden die Stunden von 14 bis 16 Uhr statt. Das erste Semester des Schuljahrs begann in den Städten mit dem 3. November und ging bis zum Palmsonntag; das zweite dauerte vom Montag nach dem ersten Sonntag nach Ostern bis Michaelis (29. September). In den Trivialschulen auf dem Lande umfasste das Schuljahr weniger Monate, da die Eltern die kindliche Arbeitskraft für die Erntearbeit benötigten. Kinder ab dem 9. Lebensjahr mussten nur die Winterschule vom Christmonat bis Ende März besuchen. Die Schulpflicht der jüngeren Kinder (6 bis 8 Jahre) galt nur für die Sommerschule, da man ihnen den meist weiten Schulweg in den Wintermonaten nicht zumuten konnte. Die generelle Schulpflicht galt für Knaben und Mädchen ab dem 6. Lebensjahr bis zu vollständiger Erlernung der für ihren zukünftigen Stand, und Lebensart erforderlichen Gegenstände. Dies dürfte, so der Gesetzestext, nicht vor dem 12. Lebensjahr der Fall sein.

Lehrplan in den Normalschulen
Gegenstand | Wochenstunden
Das Buchstabenkennen, und Buchstabiren wöchentlich | 11
Das Lesen | 11
Das Schreiben | 16
Die Rechtschreibung | 6
Das Rechnen | 11
Sprachlehre und Briefstil | - 
Die lateinische Sprache | 6
Die Naturwissenschaft oder Haushaltung | 6
Erdbeschreibung | -
Die Erdbeschreibung und Geschichte | 6
Das Zeichnen | 6
Die deutsche Sprachlehre, und der Briefstiel oder Uibung in schriftlichen Aufsätzen | 5
Die Geometrie oder Mechanik | 5
Die untere katechetische Klasse | 1
Die Mittlere | 1
Die Obere | 1
Die biblische Religionsgeschichte | 1
Die Sittenlehre | 1
Die Erklärung der Epistel | 2
Die Erklärung der Evangelii | 2
Die Einleitungs=Lektion nebst dem Inhalte des 2ten Lesebuches | 1
Die Regeln der Wohlanständigkeit | 1
Der Direktor unterrichtet die Präparanden | 11

Lehrplan in den Stadtschulen (Hauptschulen)
Gegenstand | Wochenstunden Hauptschule dreiklassig | Wochenstunden Hauptschule zweiklassig
Das Buchstabenkennen, und Buchstabiren wochentlich | 11 | 11
Das Lesen | 11 | 11
Das Schreiben nebst der Ortographie | 16 | 10
Das Rechnen | 12 | 12
Die Sprachlehre und Briefstill oder Anleitung zu schriftlichen Aufsätzen | 5 | 5
Der Anfang im Lateinischen | 5 | -
Von der Naturwissenschaft oder Haushaltung | 6 | -
Die Erdbeschreibung | 1 | 1
Die Geschichte | 1 | 1
Einleitungslektion und 2tes Lesebuch | 1 | 1
Regeln von der Wohlanständigkeit | 1 | 1
Die untere katechetische Klasse | 2 | 1
Die Obere | 1 | 1
Die biblische Religionsgeschichte | 1 | 1
Die Sittenlehre | 1 | 1
Die Erklärung der Epistel | 1 | 1
Die Erklärung der Evangelii | 1 | 1

Lehrplan in den Trivialschulen
Gegenstand | Trivialschule einklassig
Das Buchstabenkennen, und Buchstabiren wochentlich | 7 1/2
Das Lesen | 7
Das Schreiben nebst der Ortographie | 5 1/2
Das Rechnen | 6
Die untere katechetische Klasse | 1/2
Die Obere | 1/2
Lesen der Epistel | 1
Lesen der Evangelii | 1

Für den Unterricht sollte man in allen Schulen die gleichen Lehrbücher verwenden. Im Anhang E der Allgemeinen Schulordnung wurden diese detailliert angegeben. Dazu gehörten natürlich auch solche, die aus der Feder Felbigers stammten, wie etwa das Methodenbuch für Lehrer der deutschen Schulen, Das Namenbüchel oder A B C (Abb. 9) oder ein Lesebuch. Um diese in der notwendigen Stückzahl und zu günstigem Preis produzieren zu können, hatte Maria Theresia bereits 1772 der Niederösterreichischen Schulkommission ein Privilegium impressorium privativum für Verlag und Verschleiß aller Schulbücher im Primarbereich erteilt. Joseph II. erweiterte 1773 das Privileg auf das gesamte Heilige Römische Reich. Der Direktor der Wiener Normalschule Joseph Meßmer wurde der Direktor des Schulverlags, der im Gebäude der Normalschule in Wien untergebracht wurde. Der Verlag der deutschen Schulanstalten lief nach der Übersiedlung vom Churhaus bei St. Stephan nach St. Anna unter Verlagsgewölbe der deutschen Schulanstalten bei St. Anna; aus ihm ging der Österreichische Bundesverlag hervor.  Die ersten Druckwerke waren die Werke Felbigers, die Herausgabe finanziert von österreichischen Bischöfen und Prälaten. Der Verlag arbeitete nicht gewinnorientiert. Armen Kindern wurden die Lehrbücher kostenlos abgegeben. Bis 1780 waren im Verlag bereits mehr als 100 Titeln in allen Sprachen der Monarchie in hoher Auflage erschienen. 

Vom Schulmeister und seinen Pflichten

Die Aufgaben der Lehrer waren klar umrissen: Um den Fortschritt im Unterricht zu überwachen, hatten die Lehrer Schülerverzeichnisse anzulegen, in denen sie die Fehlstunden und die Lernfortschritte festzuhalten hatten; ebenso hatten sie monatlich zu dokumentieren, welchen Lehrstoff sie durchgenommen hatten. Die Schüler sollten diesen nicht bloß auswendig lernen, sondern sie sollten ihn auch verstehen und das Erlernte mit eigenen Worten wiedergeben können. Als Hilfe stand den Lehrern das von Felbiger verfasste Nothwendige Handbuch zum Gebrauch der Lehrer in den deutschen Schulen zur Verfügung. In fünf Hauptstücken vermittelte der Verfasser die wichtigsten Grundlagen, die ein Lehrer zu beachten hatte. An die Spitze seiner fast 300 Seiten umfassenden Ausführungen setzte Felbiger das erste Hauptstück über die nothwendigen Eigenschaften der Schulmeister. Dazu gehören u.a. – in dieser Reihenfolge – Frömmigkeit, Liebe zu seinen Schülern, Munterkeit (des Geistes), Geduld, Genügsamkeit, Fleiß und Sittsamkeit. Der Schulmeister sollte etwa seine Schüler auf väterliche Weise lieben; das Maß seiner Zuneigung richte sich nicht nach etwaigen elterlichen Zuschüssen, sondern nach dem Verhalten der Kinder. Mehr Zuneigung solle er den Frommen und Fleißigen zeigen, um so die Boshaften und Nachlässigen zu mehr Leistung anzustacheln. Den Unterricht solle er so gestalten, dass die Schüler diesen nicht als Last empfänden, sondern mit Lust lernten. Im vierten Hauptstück erhielten die Lehrer Anweisungen zu den einzelnen Gegenständen: Wie das Alphabet zu vermitteln sei, das Buchstabieren, das Lesen, das Schreiben, die Rechtschreibung. Das letzte Hauptstück beschäftigte sich mit Fragen, wie man Schüler zum Gehorsam anleiten könne oder wie und welche Strafen man einsetzen kann. Dabei sollen die Schulleute allerdings die Gemüthsbeschaffenheit, das Alter und das Geschlecht berücksichtigen. Weiters sollten sie ihren Schülern Abscheu vom Lügen und Betrügen, Liebe aber zur Wahrheit und Ehre beybringen; imgleichen sie zur Rechtschaffenheit, und Ehrlichkeit leiten, kurz gesagt – sie sollten ihnen das Rüstzeug zu einem rechtschaffenen Leben vermitteln, durch Wort und Tat, nämlich auch durch ihr persönliche korrekte Lebensführung. Daher wurde ihnen in der Schulordnung auch ausdrücklich untersagt nebenbei ein Schenkgewerbe zu betreiben und bei Hochzeiten, Kirchtagen und anderen Gelegenheiten zu musizieren. Zuverdienst war bei der mangelhaften Besoldung der Schulmeister aber notwendig, um finanziell über die Runden zu kommen. Meist übten sie deshalb auch, wo es möglich war, das Amt des Mesners und/oder Organisten aus und erhielten dafür einen Anteil an der anfallenden Stolgebühr (=Vergütung des Priesters für Taufe, Hochzeit und Begräbnis). Trotz weiteren Aufbesserungen durch Sammlungen und Zulagen kamen sie kaum auf ein einigermaßen ausreichendes Jahreseinkommen. Das Schulmeisteramt blieb ein Nebenberuf.

Unterrichtsszenen siehe Abb. 10 und 11.

Und weitere Reformen

Kaiser Joseph II. trieb die Reformen weiter voran, beseelt von dem Wunsch, den Kindern aller Untertanen einen Schulbesuch zu ermöglichen. Die Voraussetzungen für den Ausbau des Schulwesens bildete das neu geschaffene dichte Pfarrnetz. In jeder Pfarrei bzw. bei jeder Filiale sollte nun ein Schulmeister angestellt werden, der gleichzeitig den Mesnerdienst zu versehen hatte. Voraussetzung für die Anstellung war das Ablegen einer Prüfung an einer Normalschule. Überdies musste in allen anderen Orten, die mehr als 90 schulpflichtige Kinder beherbergten eine Gemeinschule eingerichtet werden. Das Schulpatronat wurde an das Pfarrpatronat gekoppelt. Für den Bau und Erhalt des Schulgebäudes hatten die Grundobrigkeit die Baumaterialien beizustellen, die Gemeinden die Fuhr- und Handdienste (= mit Hand zu leistende Arbeiten) zu leisten und der Pfarrpatron die Handwerker zu bezahlen. So wie für die josephinischen Pfarrkirchen gab es auch für die Schulbauten Musterpläne:  Die Schulzimmer mussten mindestens 10 Schuh (=3,16 Meter) hoch sein; der Lichteinfall sollte von links erfolgen. Für 40 bis 50 Schüler waren ca. 39 bis 43 m² vorgesehen. In den Schulgebäuden waren auch die Lehrerwohnungen untergebracht, bestehend aus einem geräumigen Wohnzimmer, Küche und Kammer. Sogar das Privet (= Toilette) befand sich im Gebäude. Der Unterricht in Trivialschulen sollte für Knaben kostenlos sein, wodurch man umso eher die Eltern anhalten konnte, ihre Kinder dahin fleissig zu schicken; um dieses Ziel sicher zu erreichen, führte Joseph II. für Knaben die Schulpflicht ein. Ausnahmen gab es nur für Gebirgsgegenden mit weit verstreut liegenden Einzelhöfen. Für Mädchen musste weiter Schulgeld entrichtet werden. Mit dem Toleranzedikt vom 13. Oktober 1781 erhielten auch die evangelischen und griechisch-orthodoxen Gemeinden ab einer Größe von 500 Personen das Recht, neben einer Kirche auch eine eigene Schule zu errichten. Um die finanzielle Situation der Lehrer zu verbessern, ordnete Joseph II. 1783 an, dass sie an Trivialschulen zumindest 150 Gulden erhalten sollten. Allerdings musste er dieses Mindesteinkommen kurze Zeit später auf 130 Gulden reduzieren, da seine erste Anordnung nicht finanzierbar war. Dazu kamen Einkünfte aus ihrer Tätigkeit als Mesner und Naturalien, die die Gemeinden zur Verfügung stellten. Kontrolliert wurde das Schulwesen ab 1785 durch einen Schulaufseher (Kreisschulkommisär) – der Vorläufer des heutigen Bezirksschulinspektors, der die Normal- und Trivialschulen seines Kreises zu inspizieren hatte. Damit wurde erstmals ein rein staatliches Aufsichtsorgan geschaffen. Auch erste Schritte zur sozialen Aufwertung des Lehrerberufes wurden getan, etwa durch den Erlass, dass der Kreisschulkommisär diesen nicht mit Er, Du oder Ihr, sondern mit „Herr“ anzureden hatte. Problematisch blieb die Altersversorgung der Lehrer und ihrer Frauen. Meist landeten sie, wenn sie ihre Arbeit nicht mehr ausüben konnten, im Armenhaus. Joseph II. erklärte 1788 zumindest die Lehrer an Normal- und Hauptschulen für pensionsberechtigt. Die Lehrer auf dem Land blieben von der Gnade ihrer Gemeinde abhängig. Immerhin schuf Joseph II. mit seinen Reformen die Grundlagen für ein niederes Schulwesen, das bis zum Reichsschulgesetz von 1869 Bestand haben sollte.

    Autorin: Prof. Dr. Elisabeth Vavra

    Verwendete und weiterführende Literatur:

    • Helmut Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens Bd. 3: Von der frühen Aufklärung bis zum Vormärz, Wien 1984.
    • [Johann Ignaz von Felbiger], Nothwendiges Handbuch zum Gebrauch der Lehrer in den deutschen Schulen nach der neuen verbesserten Lehrart, Wien 1774.
    • [Ders.], A B C oder Namenbüchlein, zum Gebrauche der Stadtschulen in den kaiserlich-königlichen Staaten, Wien 1776.
    • Heinrich Ferihumer, Das niedere Schulwesen im Zeitalter Maria Theresias und Josephs II., in: Oberösterreichische Heimatblätter 12 (1958), S. 21–38.
    • Joseph Alexander von Helfert, Die Gründung der österreichischen Volksschule durch Maria Theresia, Prag 1860.
    • Karl Krückl, „Allgemeine Schulordnung für die deutschen Normal- Haupt- und Trivialschulen in sämmtlichen Kaiserl. Königl. Erbländern“ vom 6. Dezember 1774. Textausgabe in Arialschrift, Linz 2015.

    Blog-Nachlese zu Schulthemen:
    Neues Volksschulgesetz
    Loosdorf - Hohe Schule

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